Der diesjährige SAT-Kongress fand vom 4. bis zum 11. August in Barcelona (der als „Feuerrose“ bezeichneten rebellischen Stadt) statt, und wie so oft, bei großer sommerlicher Hitze. In weiser Voraussicht hatte das Organisationskomitee kleine Fächer mit den Kongressmaterialien verteilt, von denen Teilnehmer in den Arbeitssitzungen und anderswo ausgiebig Gebrauch machten. Besonders an diesem Kongress war die ungewöhnlich hohe Teilnehmerzahl: um die 220 gegenüber knapp über 100 bei anderen Kongressen der letzten Jahre. Darunter waren viele Nichtmitglieder von SAT. Für sie gab es ganz am Anfang einen Einführungstreff, und für einige sprachlich weniger Sattelfeste auch Sprachkurse.
- Kunsido en la ĝardeno
Das Programm war so reichhaltig wie der Tagungsort Barcelona anziehend. Die SAT-spezifischen Veranstaltungen, die Arbeitsvollversammlungen, Sitzungen der Esperanto-Fördergruppe, der Kooperativen Verlagsabteilung, der politisch vielfältigen Plattformen (libertär, kommunistisch, anationalistisch, vegetarisch), trafen dieses Jahr nicht so viele bewegende Entscheidungen – abgesehen von einer leichten Senkung der Mitgliedsbeiträge. Diese wurde nach einer Periode finanzieller Stabilisierung möglich, die nach schwierigen Jahren in nicht weit zurückliegender Zeit Erleichterung schafft. Außergewöhnlich waren eher die Vorträge, Debatten und das Kulturprogramm. In „Sozialen Foren“ ging es um aktuelle Themen: Katalonien, die beiden Koreas, Begriffsbestimmung von Anarchismus, Sozialismus und Kommunismus, die Rolle von Esperanto in alternativen Verlagsprojekten, Cyberwährungen, Empfindungen der Menschen angesichts eines möglichen Zusammenbruchs unserer Lebensweise, Selbstbefreiung von Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft. Eine Neuigkeit, die ausprobiert wurde, waren Pecha Kucha: thematisch vielfältige Bildervorstellungen mit Erläuterungen, deren Länge auf 6 Minuten und 40 Sekunden begrenzt ist, über Flüchtlinge auf Samos und in Frankreich, die Geschichte des Tagungsortes, Naturheilkunde, Weltkarten, Digitalarchive, Klara Zamenhof (die Frau des Esperanto-Begründers L. L. Zamenhof), ein selbstgebauter Buchscanner usw. Neue Bücher wurden vorgestellt, darunter die neue Ausgabe des SAT-Bestsellers Plena Ilustrita Vortaro (das größte Esperanto-Wörterbuch), sowie zweisprachige Ausgaben des Verlags La Calúmnia. Filme mit Esperanto-Untertitel wurden gezeigt, darunter die berühmte Tierra y Libertad von Ken Loach, Empathy von Ed Antoja, Die verbrannte Stadt (katalanisch: La ciutat cremada) von Antoni Ribas. Ein Fotowettbewerb und die schon traditionsgewordene Versteigerung bildeten den Abschluss des Kongresses.
- Voĉdono dum laborkunsido
Die Abende wurden durch das Kulturprogramm gestaltet. Außergewöhnlich war das Konzert Mia liriko kaj muziko von Miguel Fernández. Franjo Martin leitete ein Gesangsatelier, Ni kantu la Revolucion, mit Gitarrenbegleitung von Xavier Rodon. Zum Abschluss kamen revolutionäre Lieder. Miguel Fernández stellte seine Übersetzung von Ay, Carmela und seinen Gedichtband Rev-ene vor, Franciska Toubale das Gedicht Ankaŭ mi estas homo. Begeisterung kam beim Konzert von JoMo auf, als er die Zuschauer nach einigen revolutionären Liedern so energievoll zum Tanzen brachte, dass ihm beim letzten Lied zwei Gitarrensaiten brachen. Sascha Pilipowitsch führte das Monodrama Vivo de Galileo auf und sang in einem Universellen Kabarett u.a. ziganische Lieder. Der junge Porrumentzio sang baskische Lieder. Am letzten Abend fand ein Konzert der bekannten katalanischen Gruppe Kaj Tiel Plu im Garten statt. Spannend war das Puppentheaterstück La sorĉistino kaj s-ro Kristoforo, aufgeführt von der professionellen Kompanie Títeres Desde Abajo („Puppen von unten“), ein Stück, das auch ursprünglich etwas Esperanto enthielt. Gerade wegen dieses Werkes waren die Puppenspieler vor drei Jahren fünf Tage inhaftiert. Unter Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, um die es in diesem Stück gerade ging.
- "Ni kantu la Revolucion"
- Kaj Tiel Plu koncertas en la ĝardeno
Das älteste SAT-Mitglied Eduardo Vivancos wohnt in Kanada, stammt aber ursprünglich aus Barcelona, die er nach der Niederlage im Bürgerkrieg verlassen musste. Wegen seines hohen Alters konnte er nicht dabei sein. Seine Schwester übermittelte eine Grußbotschaft von ihm, und einige Anwesende ließen ihn am Kongress durch eine Überraschungs-Telefonverbindung teilhaben.
Die Teilnahme vieler Ortsansässiger, die überwiegend keine SAT-Mitlieder sind, ergab Gelegenheiten zu informeller Diskussion über die aktuelle politische Situation in Katalonien, aber es gab auch noch ein Forum als Programmbestandteil dazu. Auch außerhalb des Kongresses waren die vielen Plakate, Graffiti und katalanische Fahnen unübersehbar. Erwartungsgemäß bildete sich kein gemeinsamer Standpunkt zur Frage der katalanischen Unabhängigkeit. Konsensfähig war immerhin die Aussage, die in die Deklaration hineinkam: „[Der Kongress] drückt in Anbetracht der Situation der letzten Jahre in Katalonien seine Besorgnis aus, dass der Kampf zweier Nationalismen grundlegende und von allen zu respektierende Menschenrechte verletzen könnte, und appelliert an die Völker und Regierungen, sich um eine friedliche, von Meinungsfreiheit geprägte und demokratische Lösung der politischen und sozialen Probleme zu bemühen, und verlangt hierzu die Befreiung der politischen Gefangenen.“
SAT, eine Organisation mit politischem Anspruch, braucht sich nicht zu genieren, dass das touristische Programm ein wichtiger Aspekt dieses Kongresses war. Für viele war er eine einmalige Gelegenheit, die Stadt und die Region zu einem moderaten Preis zu besuchen – in einer Jahreszeit, in der Touristen die Stadt belagern. Tagungsstätte war die ungewöhnlich schöne Herberge Martí-Codolar des Salesianer-Ordens in einem ruhigen Viertel am Stadtrand. In ruhigen Momenten konnten Kongressteilnehmer durch üppige, sorgfältig gepflegte Gärten mit Fontänen, Statuen und Palmen spazieren. Genau dort, unter freiem Himmel, fanden auch viele Teile des Programms statt.
Ein Halbtagsausflug nach Can Masdeu machte mit dem alternativen Leben in einer kleinen Gemeinschaft von 30 Personen vertraut, die in einem selbstverwalteten sozialen Zentrum leben, das 2001 durch die Besetzung eines verlassenen Krankenhauses für Leprakranke am Stadtrand entstanden ist. Teilnehmer hatten zwei Ganztagsausflüge zur Auswahl. Einer davon führte in die Umgebung von Subirats, der letzten Verteidigungslinie von Barcelona im Spanischen Bürgerkrieg und später Standort eines Esperanto-Museums, das Luis Hernández Yzal 1968 gründete. Der andere Ausflug führte zunächst zum Kloster von Montserrat, danach zur Esperanto-Bibliothek Ramon Molera in Moià, die heute von seiner Tochter Anna Maria Molera geleitet wird.
- Brian Russell klarigas pri Can Masdeu
- Kongresanoj dum ekskurso
Przemek Wierzbowski aus Białystok (Polen) stellte seine Stadt dem Kongress vor, und es wurde beschlossen, den nächsten SAT-Kongress dort auszurichten. Białystok ist Esperantokundigen bekannt: hier verbrachte Zamenhof die ersten zehn Jahre seines Lebens. In der damals mehrsprachigen Stadt begann er, über die Möglichkeit einer gemeinsamen Sprache, die alle Menschen verbinden sollte, nachzusinnen.
Musikdarbietungen vom Kongress sind im Youtube-Kanal von SATeH zu sehen: https://www.youtube.com/user/SATeHejo
Arbeitsgruppe der Esperanto-Fördergruppe